Mein jetziges Thema ist die Institutionskritik. Und zwar ergibt sich dieses Thema aus unserer Sammlung. Wir haben Arbeiten von Andrea Fraser in unserer Sammlung. Arbeiten, die sie zu Beginn der 90er Jahre gemacht hat, bis in die Jahre 2000. Und ich war schon immer ein großer Fan ihrer Arbeit. Und dann, wenn ich einfach so ein bisschen um mich rum höre, dann merke ich, dass es eine starke Auseinandersetzung gibt mit dem Kritik-Begriff. Was ist Kritik? Wie können wir Kritik ausüben? Wie wird Kritik ausgeübt? Und, dass es eine große Unsicherheit gibt, was Institutionen betrifft. Dass Institutionen, dass althergebrachte Institutionen stark in Frage gestellt werden, auf ganz vielen verschiedenen Ebenen. Man denke an Brexit, man denke an die #MeToo-Bewegung, man denke an Trump und die Präsidentschaft in den USA. Und für mich ist dieser Begriff der Institutionskritik oder institutional critique auf Englisch, da ergibt sich wie eine Doppelung im Nicht-Kunstfeld, wodurch die Begriffe der Institution und der Begriff der Kritik sehr stark im Zentrum stehen. Und diese Doppelung finde ich interessant. Und meine Frage ist dann auch, ob wir diese Tradition der Institutionskritik, wie wir sie aus der Kunstgeschichte kennen, ob wir diese Tradition nutzbar machen können und ob die noch etwas bedeutet für das Jetzt. Zunächst überlege ich mir, wie kann man dieses Feld abstecken und welche künstlerischen Positionen kenne ich, die dazu passen würden? Und dann ist es wie so eine- und diese zwei Fragen, die muss man eigentlich parallel im Auge behalten, weil man kann keine Ausstellung machen nur basierend auf einer abstrakten Frage. Man muss natürlich Künstler haben, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Und für mich- also dieses Abstecken des Kunstfeldes und diese Analyse, was sind denn die Machtverhältnisse in der Kunst? Und sagen diese Machtverhältnisse in der Kunst auch etwas aus über das größere Feld, was ich angesprochen habe? Das sehe ich sicher in künstlerischen Positionen, diese Fragestellung. Und die kommt dann auf verschiedene Art und Weise zurück. Zum Beispiel die Künstlerin Dena Yago aus New York, die untersucht die Funktion des Museums im Zeitalter von Instagram. Die Tatsache, dass Museum in ihren Worten als content farms genutzt werden, das heißt, dass pure Maschinen, um neue Bilder zu generieren, möglichst attraktive Hintergründe für Selfies, die dann wiederum in Instagram eingespiesen werden können, das untersucht sie in ihrer Arbeit. Und sie macht dann so- sie macht dann eigentlich eine Art Anti-Selfie-Walls, was sehr attraktiv ist für Leute, die gerne Museen als Hintergrund- Hintergründe verwenden für ihre Selfies. Es sind entweder große räumliche Installationen à la Kusama oder es sind ganz große farbige Skulpturen oder es sind Murals. Und diese Murals- sie macht dann solche Murals, wovor sich Menschen fotografieren können, aber die Murals haben immer eine unheimliche Komponente, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Also, was sie eigentlich möchte, ist, dass die Besucher sich vor diesen Murals fotografieren und dann erst nachdem sie das Bild gemacht haben, das es vielleicht nicht so eine ganz so schöne Abbildung ist, die sie gerade gemacht haben. So eine kritische Subversion dieses Verhaltens. Der Begriff der Institutionskritik ist natürlich ein sehr weiter Begriff. In dieser Ausstellungsreihe beziehe ich mich stark auf die kunsthistorischen Bewegungen der Institutionskritik, die eigentlich zwei Momente in der Kunstgeschichte kannte: Ende der 60er Jahre, Beginn der 70er Jahre und dann wieder in den 90er Jahren. Und ich sage eigentlich, dass wir, wenn wir uns die Arbeit von jungen Künstlerinnen und Künstlern anschauen, dass wir ein weiteres solches Moment jetzt beobachten können, wo diese Bewegung wiederaufkommt. Institutionskritik hat natürlich aber eine breitere Bedeutung und wir können uns auch fragen, inwieweit- also Mitte der 2000er Jahre gab es zum Beispiel eine sehr starke Bewegung, sich kritisch auseinanderzusetzen, wie Institutionen funktionieren, und zwar aus einer institutionellen Perspektive. Das heißt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer bestimmten Organisation haben sich gefragt: Was ist ein ethisches Verhalten? Wie können wir auf eine gute Art und Weise unsere Arbeit ausführen? Was ist fair? Was ist richtig? etc. Und das ist natürlich auch Teil dieses Themas. Das ist eine Diskussion, die zurzeit sehr stark geführt wird in der niederländischen musealen Landschaft. Es geht darum, dass die meisten Museen möchten, inklusiver sein, sie möchten ein breiteres Spektrum von Menschen ansprechen. Wir haben das Problem, dass in Holland die typische Museumsbesucherin ist, eine 55-jährige weiße Frau aus einem- die eine gute Ausbildung genossen hat, was kein Spiegel der Bevölkerung ist. Und für uns ist das eine große Frage, wie können wir andere Besucher ins Museum kriegen? Das ist aber eine Frage, die eigentlich mein Profil als Kuratorin oftmals übersteigt. Ehrlich gesagt, gehe ich eigentlich immer von mir selbst aus (lacht), weil ich denke, dafür habe ich das beste Gefühl, was ich selbst interessant finde. Und ich denke dann, wenn ich das- wenn ich im Gespräch mit meinen Kolleginnen und Kollegen merke, dass dieses Interesse auch bei ihnen irgendwie einen Funken weckt, denke ich: „Oh, ich habe etwas gefunden, was interessant ist.“ Und dann geht es vielmehr darum, dieses Interesse übersetzen zu können für ein breites Publikum. Und das mache ich wiederum mit- auch wieder in Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen, weil ich denke, ich kann gut- ich kann meine Ideen kommunizieren für jene Menschen, mit denen ich in Kontakt bin. Das heißt, mit Künstlern, mit Kunststudenten, mit befreundeten Kuratoren, mit anderen Kuratoren, mit denen ich nicht befreundet bin (lacht). Für kunstnahe Menschen, die sich auch in diesem Feld befinden. Das ist überhaupt kein Problem. Aber ich kann nicht alle Leute ansprechen. Und für das habe ich meine Kolleginnen und Kollegen nötig, die mir auch sagen: „Nein, das ist zu kompliziert.“ Oder: „Das ist vielleicht für deine Peers interessant, aber nicht für irgendwie eine Hausfrau in Harlem.“ Aber es geht dann eigentlich mehr um einen Übersetzungsprozess. Weil ich glaube, tendenziell kann alles interessant sein.