MATERIAL
Mich ziehen manche Materialien oder manche auch Bilder ganz magisch an. Also wie zum Beispiel der Nacken, den arbeite ich jetzt schon fast seit einem Jahr aus, in verschiedensten Formationen, Materialitäten, die je nach Ausstellungskontext und Situation für mich ganz viele Knotenpunkte empfinde. Also ich habe ganz viele – in diesem Nacken ist für mich ganz viel Fundus an verschiedenen Settings. Also es ist so ein Element oder ein Motiv, eine Symbolik vielleicht auch, für ganz viel an Settings, was mich interessiert. Macht, Kontrolle im Moment, Intimität, eine Geste des Absinkens in so eine digitale Welt. Und dann kommt es darauf an, wie materialisiere ich das, in welchem Kontext? Also jetzt verwende ich Nacken – fotografiere ich sie tatsächlich, also bringe sie wieder zurück von einer Abformung, die ich auch gemacht habe, die eher etwas Poröses, etwas artifiziell – also ein Artefakt sein sollte – wieder zurückbringen zum Bild, also eine sehr voyeuristische, sehr machtinstruiertes Element. Eine Fotografie hat immer viel mit Macht zu tun. Sobald man eine Kamera auf jemanden richtet, hat man sofort quasi die Führung über das Bild, über das Setting und die Gestaltungsmöglichkeit sozusagen. Und das finde ich – also wieder zurück – super interessant auch in diesem Kontext Fotografie wieder zu benutzen als Medium, um dann quasi diese Nacken in so einer ganz intimen, leicht von oben schräg fotografierten Pose, was auch noch mal so eine Machtsituation darstellt, zu fangen. Und da lote ich viele Momente aus – also, wenn ich diese Nacken fotografiere. Was haben die Personen an? Welches Licht benutze ich natürlich, weil das ja auch alles dazu beiträgt so eine Intimität und so ein ganz schönes Element oder Moment von Intimität und gleichzeitigen „Ich gucke dir in den Nacken oder auf den Nacken“. Was ist das für eine Stelle? Das ist eine sehr private, intime Stelle. Ein Freund von mir hat mir gesagt, „da küsse ich meine Freundin gerne auf den Nacken.“ Das ist halt eben eine sehr fürsorgliche Stelle. Es ist aber auch eine Stelle, die gegriffen wird, um eine bestimmte Macht zu demonstrieren. Oder auch bei Tieren, um sie auszuschalten, also bewegungslos zu machen. Es ist eine Schaltstelle, die viel auch in so Science-Fiction-Filmen auch als die Stelle gesehen wird zur virtuellen Welt in die – wenn man so an Matrix denkt, wird da ja dieser Schlauch eingeführt, der – also direkter Kontakt zu dieser Nervenbahn. Und das ist auch klar zwischen Kopf und Körper eine Schaltstelle. Und wie gesagt auch so ein Element von einer Pose, die wir in unserer Zeit tagtäglich sehen, also dieses Hinabbeugen und gleichzeitig auch dieses – was ist dieses Vorbeugen? Ist das ein Verbeugen? Inwiefern ist das eigeninduziert? Also es sind ganz viele Elemente oder Momente drin, die man deuten kann, je nachdem, wie man das veräußerlicht in so eine künstlerische Arbeit und mit welchem Medium man da auch arbeitet. Ob das jetzt als Gipsabdruck stattfindet oder als Fotografie, macht das ein riesen Unterschied in der Auseinandersetzung und auch in der Referenzialität und Aussagekraft und Kontext.
Was passiert eigentlich mit bestimmter Auffassung von Material, wenn es im Digitalen passiert? Also wenn man das nur sieht, wenn man es nur in kleinen Bildern sieht oft oder wirklich nur – oder in bewegter Form. Inwiefern ist das so eine Abstraktion und hat dann auch gleichzeitig mit Ersetzbarkeit zu tun? Also inwiefern kriegt man eine Distanz zu den Dingen an sich durch die Art und Weise der Aufnahme, durch das Medium, und wie abstrakt werden die da? Und wie können sie sich da auch in der Materialität auch verändern, weil sie ganz nah an Kontexte gebunden sind? Also Bilder sind fluid und nicht mehr als Repräsentationsmechanismus zu begreifen für mich, sondern die werden in Kontexten begriffen und wie sie passieren im Digitalen, wie sie eingesetzt werden, was sie machen und wie sie aufgebaut sind und nicht mehr als so ein repräsentatives Instrument. Und das finde ich sehr interessant, weil es ja auch gleichzeitig damit zu tun hat, wie werden Dinge da drinnen, in diesen Kontexten begriffen und umgesetzt und verstanden und benutzt? Und das ist dann so eine Überleitung auch in bestimmte Settings, wie ich sie nenne, die auf ganz viel verweisen, die gar nicht mehr dieses Material dann einfordern mehr, sondern vielleicht ein anderes, das auf den Kontext referiert, in dem dieses Bild oder das Video verstanden wird. Und da finde ich das aber auch ganz interessant dann doch die Materialien zu verwenden vielleicht, die ursprünglich für sie gedacht waren. Also wenn ich so ein Lochblech nehme, dann ist es gleichzeitig eben ein Geländer für eine Terrasse, dass das so abgrenzt, und privaten Raum, der aber so einen kleinen Luftraum auch darstellt, als dann aber auch Barrikaden – so Alu-Barrikaden, die sowohl bei Polizeieinsätzen verwendet werden als auch bei Konzerten. Also wo findet dieses Material überall statt? Das hat ja schon mal genauso einen Kontextbezug und Auswirkung wie eigentlich das, was im Digitalen stattfindet. Aber es ist nicht mehr so stark daran gebunden, also das Lochblech könnte auch aus Schaumstoff für mich sein. Es gibt auch so lochartige Schaumstoffmatten, die vielleicht nicht die Größe haben – vielleicht ist da das Spannende die Umsetzung in der Größe des Materials. Also was nimmt man? Wie setzt man das um? In welcher Größe verändert sich die Größe? Also für mich ist das – wird das alles so ein bisschen abstrakter, durch das Digitale und durch die Wahrnehmung und lässt dem auch so einen Spielraum und so eine Öffnung, dass man bestimmte Objekte mit einem anderen Material begreift und wahrnimmt und, dass sie auch als andere Materialitäten existieren können.
Aber da finde ich das ganz interessant, wie das vielleicht auch noch mal so eine Öffnung macht und auch so eine – durch die Abstraktion vielleicht so eine Zulässigkeit, die Dinge anders zu denken, in Material.
Wie werden Körper, oder auch Bilder von Körpern begriffen im Digitalen? Sie sind viel abgekoppelter und fluider vielleicht und gleichzeitig auch stark gesetzt.
Wie sich dann so ein Verständnis oder so ein Bild von Körper auch verändert, also wie ausschnitthaft wird das und was blendet man dann gleichzeitig aus? Passiert alles nur für das eine Bild im Digitalen? Also das sind so ganz viele Schnittstellen, die darüber nachdenken lassen, wie wird in Zukunft auch der Körper begriffen? Also wird er nur durch Bilder – also jetzt vielleicht auch utopisch oder dystopisch gedacht – wird er nur durch Bilder so richtig begriffen, oder tritt er in den Hintergrund? Und gleichzeitig ist aber so eine ganz starke Kultur und Körperbewusstsein da, durch Self-Care, durch Meditation, durch Yoga, durch diese ganzen Optimierungs-Tracking-Elemente oder Bewegungen wird der Körper ja komplett optimiert oder durchgetrackt oder eben ein Fokus darauf geworfen. Und ich habe das Gefühl, dass das vielleicht genau dadurch passiert ist auch. Durch einerseits so eine Abstraktion im Digitalen und andererseits eben einen Moment, wir sind immer noch so ein physischer Raum oder so ein physischer Körper, woraus alles so entsteht.
Es ist ein anderes Objekt-Körper-Verständnis vielleicht, als im Digitalen, und das sorgt einerseits für so eine Nähe, aber gleichzeitig auch vielleicht für so eine Dekonstruktion des Materials, dass man gar nicht mehr so ganz fassen kann, wie doll es den Körper vielleicht auch verletzen oder schützen kann, was es mit dem Körper macht im physisch realen Raum. Sondern, dass es dadurch so eine Abstraktion bekommt und vielleicht auch so eine Abstraktion in dem Sinne – man weiß natürlich wie so ein Blech ist oder so ein Metall, wie das funktioniert, aber man fühlt es nicht so genau am physischen Körper. Vielleicht auch noch mal ein gutes oder spannendes – also das hat so eine bestimmte Distanz, wenn man bestimmte Demonstrationen online sieht oder bestimmte Elemente oder Momente der Gewalt – das ist was anderes natürlich, wenn man mittendrin in einer Demonstration ist, das ist ein anderes Feeling, das hat eine andere Nähe-Distanz Beziehung klar, und dadurch aber vielleicht so einen utopischen, hoffentlich utopisch, nicht dystopischen Wunsch von mir, dass sich die Materialitäten auch durchaus ändern können, weil der Körper geschützt werden muss oder geschützt werden wird, vielleicht auch in Zukunft, damit er funktioniert. Vielleicht so, also wenn man das so ganz unter diesem neoliberalen Gedankengut oder diesem gesellschaftlichen, du musst Arbeiten, du musst funktionieren, du musst dich optimieren, damit du arbeiten kannst, denkt, dann in dem Sinne der Körper geschützt wird. Für Optimierungszwecke, was eher so ein dystopisches Gedankengut ist. Oder eben – also, dass die ganzen Machtmechanismen und Gewaltakte gar nicht so sein müssen, obwohl sie natürlich passieren. Also im Digitalen wird ja nur gezeigt, was eigentlich im Realen passiert, aber man bekommt dadurch so eine krasse Distanz, auch zu Material und zum eigenen Schutzraum.
Meine Werkzeuge sind meine Augen als erstes [lacht]. Meine Ohren natürlich und vielleicht auch Tastsinn irgendwie. Klar, das sind so die Hauptwerkzeuge, in denen ich bestimmte Materialien oder Bilder oder Settings oder Elemente sehe, höre oder spüre auch, die eine bestimmte Wirkung und Wirkungsweise haben, die damit zu tun haben mit den Inhalten natürlich ganz stark. Das sind sozusagen die Basics. Die Werkzeuge weiterhin in der Ausführung sind dann eben die Suche nach dem richtigen, für mich richtigen Material, nach dem richtigen Medium, nach den richtigen Motiven, Licht. Klar, also wenn man so Werkzeug nimmt, Kameratechnik dann auch, also reicht die aus, brauche ich eine bessere Kamera? Reicht Smartphone-Qualität aus? Dann natürlich in Ausführung von speziell Fotografie: Wie drucke ich die aus? Auf was klebe ich sie oder nicht? Oder rahme ich sie oder mache ich sie auf Stoff? Also das sind alles so diese Werkzeuge, die je nachdem, was ich da genau mache, mitgehen oder eben nicht. Also ich glaube so Basic Werkzeuge, so die Sinne und alles, was da an Inhalten, Inputs und Outputs auch rauskommen kann oder rauskommt und bestimmte Momenten. Und dann weiterführen eben je nachdem, bestimmte Medien, Techniken, damit verbundene Techniken oder Materialien.