At the moment, I chose a Turkish actress to read the speech of mass murderer Breivik in various cities all over Europe. Very often the people who join, literally ask me to do that. It is the urge to perform again and again. We performed Hate Radio over two hundred times around the world and I am surprised that they still want to do it. Sometimes people drop out or need a break, because of exhaustion. For me, it is important to create a situation where it matters that people join in and truly want to take part.
Hate Radio is a project that is about the role of a radio station in the Rwandan genocide. Members of the ethnicity that was to be wiped-out in that genocide —in the nineties— were cast to play the characters. So, people who survived and had become actors – trained actors who played Shakespeare and everything. So I asked them if they wanted to play the murderers of their families. They were interested and we staged it. Artwork as a term, as well as in relation to me, is a retrospective concept. It is what has happened and what remains. At times, I work extremely accurate and I write very pedantic scripts. The smallest detail becomes important and we re-enact it in the same detail. Partially. On the other hand, things have a huge openness. With the The Moscow Trials or with The Zurich Trials lots of unexpected things happened. Experts did not say what I expected. And in Moscow even the Migration Service, the Secret Service, and finally even the Cossacks came to stop the project. Quite a lot happened which in turn is used later in the film and becomes part of it. Initially nobody would have thought it would be part of it. But it was a closed room with six cameras and of course it is unpredictable. That’s a different process than writing a book or a booklet, where I can work till it is exactly what I want. I guess that’s the difference between theater and film or classical literature. You cannot go to a booth and have it printed and expect it will never change again. This is not how it works in theater. The piece changes every time it is performed…I just realized, now. I work on a version of Hate Radio for the Swiss television and for 3SAT for the twentieth “anniversary” of the genocide. Over the course of time, the actors have changed frequently, and once I shot it again with another set of actors. After two hundred times the entire crew is different. So what’s on TV and what is on tour has almost nothing in common. For example Breivik’s statement; the reading of the speech for the defense of Breivik, was at first planned as a single event. Suddenly we were in ten cities. I didn’t plan that. We shot a movie about it that is shown in exhibitions now. We just had an exhibition in Berlin where we filled an entire theater – and had different rooms for different projects. As we know, ninety percent of the so-called theater relies on constantly re-staging plays written a hundred years ago. Unless presented in a hardcore dictatorship, no one today would be truly addressed or offended by a Chekov production, u. That’s obvious. It’s art, no question and absolutely important, but personally I find it quite astonishing that ninety percent of the theater productions today are stuck in their craft. It feels as if painting was still about painting a perfect nude. That’s the result of the structure. You usually have an ensemble to employ at a theater. You have actors … and it is almost all about psychological empathy. This is challenged a little by postmodern projects but psychological empathy is still taught in drama schools. So it differs quite a lot from art schools, where work is incredibly open from the start and for example in painting: no none is interested in representation.
Ich lasse jetzt aktuell in verschiedensten Städten in Europa die Rede von Breivik dem Massenmörder von einer türkischstämmigen Schauspielerin verlesen. Und es ist oft so, dass mir die Leute die ich besetzte, die bei mir mitmachen, mich dazu drängen das zu tun. Oder das Bedrängnis immer wieder weiter und weiter aufzuführen. Hate Radio haben wir jetzt schon über zweihundertmal aufgeführt in der ganzen Welt. Und es erstaunt mich, dass sie immer weitermachen wollen. Es fallen auch manchmal Leute aus. Aus Erschöpfung. Aber der Punkt für mich ist, eine Situation zu schaffen, wo es drauf ankommt, dass die Leute mitmachen, die mitmachen wollen. Hate Radio, ein Projekt das über die Rolle eines Radiosenders im ruandischen Genozids handelte. Da habe ich die Rollen besetzt von Angehörigen der Ethnie (wenn man es so will), die ausgelöscht werden sollte in diesem Genozid in den neunziger Jahren. Also Menschen, die mit dem Leben davon gekommen sind, dann Schauspieler wurden. Also ausgewählte Schauspieler, die Shakespeare und alles Mögliche gespielt haben. Und ich habe sie dann gefragt, ob sie die Mörder ihrer Familien spielen wollen. Und sie waren interessiert und dann haben wir das inszeniert. Werk als Begriff oder im Bezug auf mich ist natürlich ein retrospektiver Begriff. Es ist das, was quasi passiert ist, was nachher da ist. Bei mir ist es so, dass ich teilweise extrem genau arbeite. Sehr pedantische Skripte habe ich teilweise. Es geht bis ins Kleinste hinein. Wir stellen das auch ganz genau nach. Teilweise. Und andererseits die Sachen auch eine ganz große Offenheit haben. Bei den Moskau Prozessen oder auch bei den Züricher Prozessen passierte wahnsinnig viel Unerwartetes. Da haben Experten nicht das gesagt, was ich mir dachte. Und in Moskau führte es sogar dazu, dass der Geheimdienst und schließlich sogar die Kosaken kamen, um das Projekt zu unterbrechen. Und da geschah ganz viel, das man im Film wiederum nachher verwenden kann was dann plötzlich dazu gehört. Wo man zunächst nicht dachte, dass es dazu gehört. Weil es war ein abgeschlossen Raum mit sechs Kameras. Und das ist natürlich so nicht voraussehbar. Das ist ein anderer Vorgang, als wenn ich beispielsweise ein Buch schreibe oder ein Büchlein. Und daran so lange arbeiten kann, bis es genau das ist was ich will. Und genau das ist glaube ich der Unterschied von Theater zu Film oder klassisch: Literatur. Du kannst nicht bis zu einem Stand gehen und es drucken lassen und dann wird sich daran nie wieder etwas ändern. Das ist beim Theater nicht so. Jede Vorstellung ist eine Andere. Ich merke das gerade. Ich mache für das Schweizer Fernsehen und für 3Sat eine Fassung von Hate Radio, damit sie das zum zwanzigjährigen Jubiläum ausstrahlen können. Und da haben die Schauspieler häufig gewechselt. Ich habe dann einmal noch mal nachgedreht, da hatten wir schon eine andere Besetzung. Und jetzt nach zweihundertmal stimmt die komplette Besetzung nicht mehr. Also was im Fernsehen kommt und was quasi tourt hat nichts mehr miteinander zu tun. Dann gibt es aber auch andere Aktionen. Beispielsweise Breiviks Erklärung, also die Lesung der Verteidigungsrede von Breivik hatte ich als einmalige Aktion geplant. Und dann hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Jetzt waren wir bald schon in zehn Städten. Das hatte ich aber nicht vor. Wir haben natürlich dann auch noch einen Film darüber gedreht, den wir jetzt in der Ausstellung gezeigt haben. Genau, es gibt ab und zu Ausstellungen. Wir hatten jetzt zuletzt eine in Berlin, wo wir ein ganzes Theater bespielt haben. Alle Räume mit verschiedenen Projekten. Wie man weiß, besteht neunzig Prozent des sogenannten Theaters daraus, dass Stücke, die vor etwa hundert Jahren geschrieben wurden ständig re-inszeniert werden. Und außer in einer Hardcore Diktatur wird niemanden irgendeine Form von Tschechow Inszenierungen irgendwie aufregen. Das ist ganz klar. Das ist Kunst und wirklich sicher von Belang. Ich finde es aber auch persönlich relativ krass, dass das Theater in dem rein kunsthandwerklichen Bereich tatsächlich stecken belieben ist, also neunzig Prozent der Inszenierungen. Das ist so als würde Malerei immer noch darin bestehen: Wie kann man einen Akt perfekt malen? Und immer wieder die gleiche Frage wird repetiert. Das hat im Theater ein bisschen mit den Strukturen zu tun. Also du hast meistens ein Ensemble, das zu beschäftigen musst. Du hast Schauspieler und es geht fast nur um die psychologische Einfühlung. Die wird postmodern ein bisschen zertrümmert, aber auf den Schauspielschulen wird die psychologische Einfühlung, eigentlich auf allen Schulen, noch gelehrt. Also es ist ganz anders als auf Kunsthochschulen, wenn es um Malerei beispielsweise geht, wo das Gebiet wahnsinnig offen ist und von Anfang an. Klar ist: Repräsentation interessiert niemanden.