Ich bin Melanie Bühler. Ich arbeite zurzeit als Kuratorin für zeitgenössische Kunst beim Frans Hals Museum in Haarlem. Das Frans Hals Museum hat einen etwas trügerischen Namen, weil es nicht nur um die Kunst von Frans Hals geht, das heißt es geht nicht nur um die Kunst des Portraitmalers Hals aus dem 17. Jahrhundert, sondern das Frans Hals Museum ist das städtische Museum der Stadt Haarlem. Und wir haben auch eine Sammlung für zeitgenössische Kunst und haben zwei Häuser und in einem Hause, das bespiele ich sozusagen mit einem zeitgenössischen Programm und da mache ich Ausstellungen. Davor habe ich als freie Kuratorin gearbeitet. Mit einem etwas definierteren Arbeitsfeld. Und zwar habe ich mich lange Zeit mit Kunst und digitaler Kultur beschäftigt. Damit habe ich begonnen mit einem Format, das ich in Washington entwickelt habe. Für das Hirshhorn Museum und das Goethe Institut da. Das hieß Lunch Bytes, das war eine Diskussionsreihe zur Mittagszeit, die sich immer jeweils einem Thema aus der digitalen Kultur gewidmet hat und dann dazu Künstler und Experten eingeladen hat aus verschiedenen Bereichen. Und das war – das hat ab 2010 stattgefunden. Es war eine Zeit des Umbruchs für die Kunst, die sich mit dem Internet beschäftigt, weil man muss sich vor Augen halten, dass sich das Internet in dieser Zeit ziemlich verändert hat. 2008 kam das erste iPhone auf den Markt. Websites wie Wikipedia, YouTube, Facebook, etwas davor MySpace wurden groß. Das Web 2.0 hat sich entwickelt. Und mit diesem Web 2.0, was ein viel sozialeres, aber auch viel kommerzielleres Format hatte, kam auch eine neue Künstlergeneration auf. Und diese Künstlergeneration hat man dann später eigentlich unter dem Namen der Post-Internet-Kunst zusammengefasst. Und das war eine sehr spannende Zeit und es gab noch nicht wirklich viel Diskurs zu diesem Feld. Und diese Diskussionsreihe war dann eigentlich so mein Einstieg in dieses Gebiet und mein Einstieg in die Kunst. Was ist ein Künstler? Ein Künstler beschäftigt sich mit Fragestellungen, die mit der heutigen Gesellschaft zu tun haben. Das kann eigentlich alles sein. Ich glaube der Werkbegriff hat sich dahingehend verändert, dass, also das Internet ist ja zunächst einmal eine Struktur für die Verbreitung von Informationen. Und ich glaube, dass sich diese Struktur eigentlich bemerkbar macht in der Arbeit von allen Künstlerinnen und Künstlern. Auch Künstlerinnen und Künstler, die sich nicht explizit mit dem Internet als Material beschäftigen, weil man einfach durch diese Art der neuen Informationsverbreitung neue Kanäle bespielen muss und eine neue Sichtbarkeit hat und eine neue Verantwortlichkeit hat, diese Sichtbarkeit zu nutzen. Früher als Künstler vor dem Internet, war mehr angewiesen auf Strukturen, die, für die es eine stärkere Infrastruktur von Gatekeepern gegeben hat. Das heißt, Museen, Galerien, Kunstzeitschriften, Universitäten, Schulen. Mit dem Internet sind nicht alle Institutionen hinfällig geworden und die Institutionen bestehen nach wie vor in einem nicht weniger stärkerem Maße, aber es gibt weitere Distributionsmöglichkeiten. Diese Distributionsmöglichkeiten werden natürlich auch von den althergebrachten Institutionen gebraucht. Also das heißt wiederum nicht, dass diese Institutionen hinfällig geworden sind. Aber es gibt viele neue Kanäle, die neue Chancen bieten. Und wenn ich sehe, wie zum Beispiel Instagram für Kunst eingesetzt wird, dann sehe ich, dass die Kommunikation allgemein viel bildhafter geworden ist. Und dieses Bildhafte der Kommunikation spielt natürlich sehr in die Hände der Kunst. Und ich habe das Gefühl mit dieser Zunahme der Bedeutung des Bildhaften hat auch die Kunst eine – davon kann die Kunst profitieren, weil wir eigentlich in einem Feld sind, das eine Expertise hat, das eine bildhafte Expertise hat. Was die Figur des Künstlers oder der Künstlerin betrifft, ist es natürlich so, dass kreative Berufe durch diese Zunahme der Bedeutung des Bildhaften, nimmt auch die Bedeutung von kreativen Berufen zu. Das heißt eigentlich, dass fast jeder Betrieb heutzutage eine kreative Abteilung hat, die wiederum Bilder generieren muss, weil sich diese Kommunikationskanäle über Social Media, über das Internet so stark durch Bilder bespeisen lassen. Und das heißt eigentlich, dass diese ganze Creative Industry, dieses kreative Denken, dieses Bildhafte enorm an Bedeutung gewonnen hat. Das heißt auch, dass Künstler heutzutage oftmals Künstler sind, aber auch sehr viel- also sehr oftmals auch ein zweites Standbein sich aufbauen müssen und auch in diesen kreativen Industrien arbeiten. Ich glaube Autor*innenschaft ist fluider geworden. Ich glaube es ist wichtiger geworden, wie man sich darstellt online. Weil das Problem der sozialen Medien ist, dass man immer aus einer bestimmten Perspektive kommuniziert, nämlich der Perspektive des eigenen Profils. Und dieses eigene Profil, das formt man mit einem Bild, das formt man mit einer kleinen Tag Line, das formt man mit einer Webseite und daher sind Meinungsäußerungen- werden viel schneller zurückgekoppelt auf eine bestimmte Person. Daher hat die Figur des Künstlers wahrscheinlich- die Figur des Künstlers, die sich ja auch mit dem Leben des Künstlers vermischt, hat wahrscheinlich an Bedeutung gewonnen, was das Biografische betrifft. Da tut sich so ein bisschen ein Spannungsfeld auf zwischen Selbstpromotion, die sich stark über ein Profil definiert, und dem ständigen Fluss von Content, der unüberschaubar fließt, und aus dem man sich eigentlich unerschöpflich bedienen kann. Und dieser Contentflow ist extrem schwierig zu regulieren. Copyright ist ein schwieriges Feld und man sieht auch- also Referenzen sind einfach so unglaublich leicht zu kriegen. Also du kannst natürlich- also es ist ein Traum, dass man alles recherchieren kann, dass man so schnell zu vielen Informationen kommen kann und dass man sich dem so schnell bedienen kann. Und ich glaube, dass es dadurch auch sehr schwierig geworden ist, strikte Linien von Autorschaft zu ziehen, weil du einfach so schnell so viel Content zur Verfügung hast, mit dem du spielen kannst, dass du schnell abändern kannst. Also die Möglichkeiten Material zu generieren und schnell zu generieren und zu verändern sind unglaublich vielfältig. Es ist ein unglaublich reiches Feld. Und ich glaube, ja und das macht es wahrscheinlich schwieriger, eine Arbeit wirklich zu- das macht es wahrscheinlich schwieriger, einen Punkt zu setzen und zu sagen, das mache ich jetzt, weil die Vergleiche- weil man sich so schnell vergleichen kann mit allem, was es gibt. Aber es macht es viel leichter auch sich also sich Sachen bedienen zu können.